Vorlesungen und Seminare

Lehre im Forschungsbereich 'Versöhnung'

Die Mitarbeiter und Mitglieder des Bonner Zentrums für Versöhnungsforschung bieten unterschiedliche Lehrveranstaltungen an. Hier erhalten Sie eine Übersicht über die aktuellen Veranstaltungen. 

Aktuelle Lehrveranstaltungen

Introduction to Reconciliation and Peacebuilding Studies in Post-Conflict Contexts (WiSe 2024/2025) 

(Jr. Prof. Rosario Figari Layu´s)

In recent decades, there has been a growing trend in both academia and the policy-making of international organisations worldwide to analyse and incorporate policies and initiatives to promote reconciliation and peace-building processes. Both are seen as crucial to building sustainable, inclusive, democratic and peaceful societies in the long term, and to ensuring that human rights violations and crimes against humanity do not occur again. But what do we mean when we talk about reconciliation and peacebuilding in a conflict or post-conflict context?

In peace and conflict studies, reconciliation and peacebuilding usually refer to transformative processes of dealing with conflictual and fractured relationships (Hamber and Kelly 2004). However, these concepts are multifaceted and can have different meanings and political, social and legal implications in different contexts (Hermann 2004). For example, while in countries such as South Africa or Rwanda the concept of reconciliation may have been associated with nation-building projects, the non-violent coexistence of victims and perpetrators within communities, as an instrumentalist or pragmatic way of living together, or even with development and poverty reduction (Zorbas 2004), in several Latin American countries, such as Argentina, the term has been used as a synonym for impunity and has been used primarily to justify a public stance of 'forgive and forget' about past crimes (Roht-Arriaza 2004). This explains the deeply contested nature of the concept in several settings.

Furthermore, while reconciliation and peacebuilding processes can occur together and complement each other, they do not necessarily address the same phenomenon. Efforts to integrate these two approaches and initiatives can be highly constructive in building peaceful societies in the long term. However, it also poses a number of dilemmas, tensions and challenges, depending on a number of factors, such as the specific dynamics and politics of the armed conflict, the power relations at the time of the peace process, the interests of the different actors involved in war and peacebuilding, the needs and demands of groups affected by violence, the underlying and unresolved causes of the conflict, the political, cultural and religious beliefs of the context, the prevailing social, gender and intersectional inequalities, the available financial resources, etc. All these factors ultimately influence, to a greater or lesser extent, the different understandings, expectations and dynamics of reconciliation and peace processes.

To address these debates and challenges, the course will provide an introduction to the concepts, debates and tensions of reconciliation, peacebuilding and dynamics in conflict transformation settings. This will include an analysis of the conceptual and historical foundations of both terms, as well as the main potential synergies and challenges. The course will offer a variety of disciplinary perspectives in conflict and post-conflict contexts, including approaches from political science, sociology, law and gender studies. Throughout the course, concrete case studies will be used to illustrate how reconciliation and peacebuilding processes can take place in practice, involving state and non-state actors as well as civil society and victims' organisations, in order to promote more inclusive and democratic societies.  The combination of theoretical approaches with the analysis of concrete case studies will enable students to acquire key skills and knowledge in understanding peace and reconciliation processes and conflict transformation dynamics.

Konflikttransformation und Friedensförderung mit Fokus auf Gender und Intersektionalität (WiSe 2024/2025)

(Jr. Prof.Rosario Figari-Layús)

Das Seminar beschäftigt sich mit den aktuellen Ansätzen und Debatten der Genderforschung und Intersektionalität im Kontext von Konfliktdynamiken und Friedensförderungsprozessen.  Dafür werden die grundlegenden Konzepte von Gender und Intersektionalität im Rahmen der Friedens- und Konfliktforschung aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive dargestellt. Außerdem wird sich in diesem Seminar mit den wichtigsten internationalen Rechtsinstrumenten zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt sowie zur Inklusion von Frauen in Entscheidungsprozesse der Friedensförderung auseinandergesetzt.

Das Seminar bietet aus einer intersektionalen Perspektive eine Analyse der geschlechtsspezifischen Gewalt in Konfliktzeiten sowie des Umgangs mit ihren Folgen und Erklärungsmustern in Post-Konflikt-Kontexten. So wird sich zeigen, dass bestimmte Formen geschlechtsspezifischer Gewalt stark kritisiert und in die Öffentlichkeit gebracht werden, andere aber unsichtbar bleiben, naturalisiert und sogar von großen Teilen der Bevölkerung legitimiert werden. Während des gesamten Kurses werden konkrete Fallstudien analysiert, um Bandbreite, Kluft und Widersprüche zwischen dem Kampf, den Errungenschaften und Erfolgen der Frauenbewegung hinsichtlich internationaler Normen einerseits und den Herausforderungen ihrer effektiven Umsetzung in Friedens- und Kriegszeiten andererseits zu veranschaulichen.

Hierbei stellen sich eine Reihe von Fragen: Welche Rolle spielen Gender und Intersektionalität bei der Ausübung von Gewalt in bewaffneten Konflikten? Wie werden diese Gewalt und ihre Opfer in den sozialen Stereotypen von Frauen und Männern in bewaffneten Konflikten repräsentiert? Welche Rollen und Partizipationsansätze von bzw. für Frauen in friedensfördernden Kontexten gibt es? Welche Genderperspektiven beinhalten Mechanismen der Transitional Justice, um mit den Folgen von geschlechtsspezifischer Gewalt nach Diktaturen und bewaffneten Konflikten umzugehen? Beinhalten die Transitional-Justice-Instrumente bei ihre Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung ausreichend intersektionale Perspektiven?
Um diese Fragen zu beantworten, wird das Seminar in vier thematische Blöcke unterteilt, die die grundlegenden Konzepte von Gender und Intersektionalität in der Friedens- und Konfliktforschung sowie die aktuellen Diskussionen in dem Bereich einbeziehen.

Lektürekurs ‚Hannah Arendt, Nelly Sachs und Ruth Klüger - Denkerinnen der Rache oder der Versöhnung? (WiSe2024/2025)

(Esther Gardei)

Im Zentrum des Lektürekurses steht die literatursoziologische Auseinandersetzung mit drei Denkerinnen und Dichterinnen des 20. und 21. Jahrhunderts: Hannah Arendt, Nelly Sachs und Ruth Klüger.

Im ersten Teil werden wir anhand ausgewählter Beispieltexte ihrer zentralen Werke diskutieren, inwiefern sich autobiographische Erfahrungen in den Themen ihrer schriftstellerischen und dichterischen Auseinandersetzung widerspiegeln. Wie denken die Autorinnen über ihre jüdische und deutsche bzw. österreichische Zugehörigkeit – während oder nach der Verfolgung durch die Nationalsozialisten - nach? Inwiefern wird ihre Zeitzeuginnenschaft zum Anspruch der Autorinnen an ihre Texte oder ihre Literaturverständnisse? Weil wir auch untersuchen, wie ihre Werke daher wiederum als ‚kommunikativer Akt‘ zurückwirken, beschäftigen wir uns im zweiten Teil mit einigen Beispielen der Rezeption. Häufig werden die drei Autorinnen entweder als Denkerinnen der ‚Versöhnung‘- oder je nach Kontext: als ‚Autorinnen der Rache‘ gefeiert. Anhand von ausgewählten Beispielen diskutieren wir, ob und inwiefern dabei bestimmte Perspektiven der Autorinnen durch die (nicht-jüdische) Mehrheitsgesellschaft angeeignet, neu interpretiert und – vielleicht mit oder gegen die Intentionen der Namensgeber: innen – allererst als vermeintlich ‚typisch jüdisch‘ ‚konstruiert‘ werden.

Das Seminar findet in Kooperation mit dem Theater Bonn statt. Studierende erhalten vergünstigten Eintritt zu den Veranstaltungen zum Thema, die das Theater Bonn in Kooperation mit dem Versöhnungszentrum durchführt!

Von Shanghai bis Jerusalem – Erforschung von Exilzeitschriften mit der Grounded Theory und Methoden der Künstlichen Intelligenz  (WiSe 2024/2025)

.... und Entwicklung einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung mit Studierenden am 27. Januat 2025 im Theater Bonn 

(Esther Gardei)

Zielgruppe: Bachelorstudierende 

Von Haifa, Moskau bis Shanghai: Etwa 450 Exilzeitschriften sind zwischen 1933 bis 1945 erschienen. Für Soziolog:innen stellen Zeitschriften eine wertvolle Quelle zur Erforschung von Exilerfahrungen zur Zeit des Nationalsozialismus dar. Sie geben beispielsweise Aufschluss über die kulturellen und politischen Positionen der Exilant:innen und ihre Sicht auf das nationalsozialistische Deutschland. Auch für vergleichende Betrachtungen und die Erforschung aktueller Exile sind die Zeitschriften von Interesse. Exilforschung ist immer Spurensuche: Oft befinden sich Quellen auf der ganzen Welt verstreut. Aber Dank größerer Digitalisierungsprojekte liegen mehr denn je Exilzeitschriften als Zeugnisse unterschiedlicher „Exile” weltweit vor. Häufig werden sie als Quellen allerdings (nur) zur Bestätigung bereits vorhandener Theorien angeführt und zitiert. Insgesamt scheint auch im Fall der Exilgeschichte das Sammeln von Daten das Ansammeln von Wissen abgelöst zu haben (Lepore 2021). Diesem Trend will das Seminar mit einem klaren Fokus auf qualitative Forschung entgegenarbeiten. Dabei werden die Datenerhebungs-und Auswertungsverfahren der klassischen Grounded Theory Methodologie nach Anselm Strauss vermittelt (offenes, axiales und selektives Kodieren). Im Seminar lernen die Studierenden, wie aus Exilzeitschriften als empirischen Daten Theorien über die ‚Sozialen Wirklichkeiten‘ und die Alltagserfahrungen von Exilant:innen entwickelt werden können. Zusätzlich werden in Zusammenarbeit mit Alexander Ermakov Methodologien der Künstlichen Intelligenz zur Erschließung von digialisierten Datensätzen getestet.

Das Seminar richtet sich mit Anselm Strauss gegen die Vorstellung von Wissenschaft als Einzelkampf. In Recherche-Gruppen werden die Hintergründe, Netzwerke und Geschichten unterschiedlicher Exilzeitschriften anhand der Primärquellen erforscht. Das Seminar wird in Kooperation mit dem Deutschen Exilarchiv in Frankfurt am Main angeboten. Es ermöglicht den Studierenden daher auch wertvolle Einblicke in die Archivforschung als wissenschaftliche Praxis.

Das Seminar findet in Kooperation mit dem Deutschen Exilarchiv 1933-1945 in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt an Main statt. Wertvolle Einblicke in die Praxis der Archivrecherche werden Studierende vom stellvertretenden Leiter des Exilarchivs direkt lernen. 

Darüber hinaus: Eine weitere neuartige Kooperation des Seminars wird mit dem Theater Bonn bestehen. Gemeinsam mit der Dozentin werden Studierende voraussichtlich die Möglichkeit erhalten, einen Themen-Abend zu unbekannten Texten aus Exilzeitschriften 1933-1945 im Theater Bonn mitzugestalten und eine "Performance" zu entwickeln. Auf diese Weise werden die Studierenden im Rahmen des Seminars nicht nur wertvolle Kontakte knüpfen, sondern auch die Praxis des Arbeitsfeldes  „Wissenschaftstransfer“ / "Wissenschaftskommunikation" kennenlernen. Formale Bestätigungen der konzeptionellen Mitarbeit könnten im Anschluss von der Dozentin ausgestellt werden. Weitere Informationen folgen in der ersten Sitzung. 

Vergangene Lehrveranstaltungen und etablierte Formate

Versöhnung in der Antike 
(Winnfried Schmitz)

Zielgruppe: Masterstudierende

In der Antike sind viele Kriege geführt und viele Friedensverträge geschlossen worden. Aber gab es in der Antike ein über den reinen Friedensvertrag hinausgehendes Konzept der Versöhnung. Im Hauptseminar soll diese in der historischen Forschung aktuelle Frage an die Antike angelegt werden. In welchen Kontexten kam es zu Versöhnungen, nach Kriegen, nach Bürgerkriegen oder in zwischenmenschlichen Beziehungen? Unterschied die antike Literatur zwischen Friedensschluss und einer darüberhinausgehenden Versöhnung?

Friedensbewegungen im 19. und 20. Jh.

(Christine Krüger)

Zielgruppe: Materstudierende

 
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen sich zivilgesellschaftliche Initiativen zur Friedenswahrung transnational organisieren. Die Aktivist:innen der entstehenden Friedensbewegung folgten religiösen, humanitären oder politischen Überzeugung, konnten aber mit auch wirtschaftlichen Motiven argumentieren oder ihre Friedensvorstellungen aus der Frauenrechtsbewegung heraus entwickeln. Angesichts der verbreiteten Hochschätzung militärischer Werte, verblieben sie jedoch in einer Außenseiterposition. Erst nach den beiden Weltkriegen gewannen pazifistische Strömungen an Gewicht. In der Übung fragen wir nach den Entstehungsbedingungen, Handlungsspielräumen, Einflussmöglichkeiten und Ausprägungen von pazifistischem Engagement im transnationalen Kontext.

Solidarität im 19. und 20. Jahrhundert. Konzepte und Praktiken  (Christine Krüger)

Zielgruppe: Bachelorstudierende

Das Thema Solidarität hat in den letzten Jahren nicht nur in den Medien, sondern auch in der Geschichtswissenschaft an Aufmerksamkeit gewonnen. Hintergrund waren zum einen die allgemeine Sorge vor einer „Entsolidarisierung“ als Folge eines immer weiter ausgreifenden Neoliberalismus, zum anderen die gesellschaftlichen Herausforderungen, die mit Fluchtbewegungen oder Coronapandemie einhergingen. Der Begriff „Solidarität“, den der Historiker Frank Bösch als einen „Leitbegriff der Moderne“ bezeichnet, ist eng verknüpft mit dem Gleichheitsgedanken bzw. im weiteren Sinne der Demokratisierung. Er entstand im 19. Jahrhundert im Kontext der Arbeiterbewegung, wurde aber schnell auch von Juden im Abwehrkampf gegen den Antisemitismus sowie auch von der Frauenbewegung aufgegriffen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde er zunächst zur kommunistischen Kampfparole, dann zu einem Leitbegriff der sog. „Dritte-Welt-Bewegung“.  In dem Seminar wollen Diskurse und Praktiken der Solidarität im transnationalen Kontext analysieren.


Soziologie der Schuld 

(Esther Gardei, Hans-Georg Soeffner)

Zielgruppe: Masterstudierende und externe Interessierte

Was ist „Schuld“ und wie kann das Phänomen soziologisch erfasst werden? Was unterscheidet Formen individueller von kollektiver Schuld? Lassen sich Schuld-Diskurse in den letzten Jahren ausmachen – zuletzt im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine? Wie erklärt sich die Faszination des Schuldigwerdens und des Verbrechens in der Literatur, der bildenden Kunst und der Politik? Bevor unterschiedliche Fallbeispiele diskutiert werden, wird zunächst der Begriff „Schuld“ untersucht. Dabei soll – auch unter Berücksichtigung anderer disziplinärer Perspektiven - eine grundlegende theoretische Einordnung unterschiedlicher Wissensfelder geleistet werden. Der Begriff wird in der Theologie unter anderem verwendet, um die persönliche Schuld als Maßstab zur Beurteilung des Menschen im Diesseits zu beschreiben; die Philosophen nutzen ihn zur Entwicklung von Ethiken und in der Rechtswissenschaft dient er im Straf-und Zivilrecht als Kategorie zur Ermittlung der Schwere von Straftaten. Politikwissenschaftler oder Historiker erörtern seit jeher die Frage nach der Kriegsschuld (Bachhiesl et al 2020). Das Seminar wurde von Frau Gardei (Soziologie, Fachbereich Abhängigkeitsforschung) durchgeführt und Hans-Georg Soeffner (Soziologie, Sprecher des Zentrums für Versöhnungsforschung) begleitet. 
 
 24. November 2022 - Prof. Dr. Manfred Prisching - Schuld
1. Dezember 2022 - Dr. Saskia Fischer - Schuld in der Literatur nach 1945
8. Dezember 2022 - Dr. Dirk Stolpe - Adolf Eichmanns Anwalt Servatius und die Frage der Schuld
15. Dezember 2022 - Prof. Dr. Matthias Weller - Zur Restitution nationalsozialistischer Raubkunst: Was ein 'Restatement of Restitution Rules' leisten könnte
19. Januar 2023 - Prof. Dr. Roberto Pich – Sklaverei und Schuld


Versöhnung. Theorie und Empirie (Ringvorlesung)
(Esther Gardei, Hans-Georg Soeffner, Michael Schulz)

Zielgruppe: Masterstudierende und externe Interessierte

Die Ringvorlesung bietet eine Exkursion durch historische und aktuelle Konfliktzonen, in denen sich Potentiale zur Versöhnung abzeichnen. Case Studies zeigen sowohl Tiefenstrukturen‘ (Noam Chomsky) von Konfliktkonstellationen als auch ,Oberflächenstrukturen‘ der Konfliktbearbeitung in historisch, kulturell oder religiös variierenden Formen, zu denen Versöhnung, aber auch alternative Strategien und Modelle der Konfliktlösung gehören. Die Veranstaltungen werden u.a. von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Clustets of Excellence "Bonn Center for Dependency and Slavery Studies", der Transdisziplinären Forschungsbereiche TRA 4 ‚Individuen, Institutionen und Gesellschaften‘ sowie TRA 5 ‚Vergangene Welten – Zeitgenössische Fragen: Kulturen in Zeit und Raum‘ begleitet und gestaltet.

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